Die Küste der Picardie 3 – entlang der Steilküste von Mers-les-Bain nach Bois-de-Cise

das Meer bei Mers-les-Bains im Winter (c) Michael Kneffel

Es ist kalt. Es ist  windig. Und es ist wunderbar. Wir stehen Ende Dezember hoch über dem Meer und schauen in ein konturloses Grau-Türkis, zu dem sich Wolken und Wasser verbunden haben. Nicht auszuschließen, dass wir in den nächsten Stunden noch Regen abbekommen werden. Aber egal. Eine der schönsten Unternehmungen an der Küste der Picardie und ein absolutes Muss bei jedem unserer Besuche ist die Wanderung von Mers-les-Bains nach Bois-de-Cise. Bei fast jedem Wetter.

Für die knapp vier Kilometer sollte man viel Zeit einplanen, zum einen wegen etlicher Höhenmeter, die zu überwinden sind, mitunter auf ziemlich steilen Wiesen, zum anderen wegen der grandiosen Aussicht, die einen immer wieder anhalten und einfach nur schauen lässt.

Steilküste zwischen Mers-les-Bains und Bois-de-Cise (c) Michael Kneffel

Beginnend an der Statue „Notre Dame de la Falaise“, die hoch oberhalb von Mers-les-Bains steht, führt ein spektakulärer Fußweg immer am Rand der Klippen entlang nach Bois-de-Cise.

Nur wenige Meter neben dem Fußweg geht es an manchen Stellen bis zu 100 Meter senkrecht abwärts. In den Kreidefelsen leben jede Menge Seevögel, die sich hier gut beobachten lassen und ihrerseits auch gern ein Auge auf die Wanderer werfen. Das Meer unterhalb der Felsen leuchtet vom ständig abbröckelnden und sich auflösenden hellen Kalkstein in einem fast unwirklich schönen Blau-Grün. Auf der anderen Seite des Weges erstrecken sich im Sommer anfangs große Getreidefelder, später satte grüne Weiden. Ab und zu muss ein Zaun an vorbereiteten Über- oder Durchgängen überwunden werden, und gelegentlich muss man eine Herde gutmütiger Rindviecher entweder durchqueren oder weitläufig umgehen – je nach Mentalität und Mut.

Villen in Bois-de-Cise (c) Michael Kneffel

Bois-de-Cise wurde ebenso wie Mers-les-Bains auf dem Reißbrett als Sommerfrische geplant und ab 1898 in relativ kurzer Zeit in einem bewaldeten, langen Tal erbaut, das sich zum Meer öffnet. Bis heute ist Bois-de-Cise eher eine Feriensiedlung, bestehend aus repräsentativen Belle-Époque-Villen, als ein lebendiger Ort mit entsprechender Infrastruktur. Außerhalb der Hauptsaison begegnet man hier nur wenigen Menschen, und es empfiehlt sich, ausreichend Verpflegung und Wasser für die Wanderung einzupacken. In den Hauptferienmonaten hat dagegen auch das Restaurant des Ortes geöffnet und gelegentlich findet ein Flohmarkt oder ein kleines Fest im Freien statt.

(Fortsetzung folgt.)

Die Küste der Picardie – eine Küste für Entdecker

Steilküste bei Mers-les-Bains (c) Michael Kneffel

Auf dem Weg zur Küste der Picardie im Frühjahr: Dicke weiße Wolken mit grauen Bäuchen vor einem hohen blauen Himmel, darunter eine weite, sanft gewellte Landschaft mit blühenden Rapsfeldern. Ein Bauer betrachtet versunken ein Fahrrad, das an einer Hauswand lehnt. Eine alte Frau schneidet Löwenzahn am Straßenrand. Mehr scheint mittags nicht los zu sein in der Picardie. Eine Landschaft wie im Dornröschenschlaf. Orte, die in kaum einem Reiseführer vorkommen. Weite, Stille, Unaufgeregtheit. Schon bevor wir das Meer sehen, stellt sich Entspannung ein.

In den letzten Jahren hat sich die Küste der Picardie zu einem unserer Lieblingsreiseziele in Frankreich entwickelt. 500 Km, keine ganze Tagesreise, trennen den 70 Kilometer langen Küstenstreifen am Ärmelkanal vom Ruhrgebiet. Zwischen den Badeorten Mers-les Bains und Fort-Mahon-Plage gibt es Landschaften zu entdecken, die unterschiedlicher kaum sein können: eine Steilküste mit imposanten Kreideklippen im Süden, scheinbar endlose Sandstrände hinter weitläufigen Dünen im Norden und dazwischen die Bucht der Somme, eine der schönsten Buchten der Welt, wie enthusiastische Zeitgenossen vor Ort behaupten.

in der Bucht der Somme (c) Michael Kneffel

In diesem Landstrich, um den die großen Touristenströme aus Deutschland und den Beneluxländern einen Bogen machen, hat sich vieles von dem gehalten, was wir an Frankreich lieben und was in anderen französischen Regionen mehr und mehr verschwindet: authentisches Alltagsleben anstelle einer folkloristischen Kulisse für wenige Urlaubswochen, unverbrauchte Landschaften anstelle von touristischen „Hotspots“, die von wuchernden Gewerbegebieten eingekreist werden und im Verkehr ersticken, unaufdringliche Herzlichkeit anstelle von professioneller Freundlichkeit, die vor allem auf die Portemonnaies der Gäste zielt. Wer das „alte“, „typische“ Frankreich sucht, wird heute im hohen Norden leichter fündig als in den beliebten Feriengebieten im Süden und kann hier viele positive Überraschungen erleben.

(Fortsetzung folgt.)

weiter Strand bei Quend-Plage-les-Pins (c) Michael Kneffel