Zwischen Pierrefonds und Compiègne – 2. Teil

Aussichtspunkt im Wald von Compiègne (c) Michael Kneffel

Pierrefonds liegt am östlichen Rand des Walds von Compiègne, des drittgrößten Waldgebiets Frankreichs, ca. 80 Kilometer nördlich von Paris. Seit Louis XIV gibt es hier ein ausgedehntes Waldwanderwegenetz. Schnurgerade Wege durchziehen den wildreichen Mischwald. Wo sie zusammentreffen, weisen seit 1825 Schilder an hohen weißen Pfeilern den Weg. Verlaufen kann man sich hier kaum. Einige dieser Wege sind auch mit dem Rad befahrbar. Aber auch wer sich gerne etwas abenteuerlicher auf Trampelpfaden, kaum breiter als Wildwechsel, durch dichtes Unterholz und mannshohe Farne schlägt, kommt hier auf seine Kosten.

Wanderweg im Wald (c) Michael Kneffel

In den letzten Jahren sind asphaltierte Radstrecken dazu gekommen, nicht zuletzt ein etwa 26 Kilometer langer Radrundweg, der Pierrefonds und Compiègne ohne nennenswerte Steigungen verbindet und auch bei Skatern sehr beliebt ist. Im Wald und an seinen Rändern liegen malerische Dörfer, in deren Natursteinhäusern mit den typischen treppenartigen Giebelkanten nicht selten betuchte Pariser ihre Wochenenden verbringen. Umgeben ist der Wald im Norden, Osten und Süden von riesigen landwirtschaftlich genutzten Flächen, auf denen meistens Getreide angebaut wird. Im Sommer geben einem diese Felder ein Gefühl von Weite und Ruhe, wie es sich sonst nur am Meer einstellt.

Weizenfeld bei Retheuil (c) Michael Kneffel

Wer sich auch im Hochsommer gern bewegt, dabei aber der prallen Sonne und Hitze entgehen will, ist im Wald von Compiègne bestens aufgehoben. Das dachten wir uns jedenfalls, als wir unseren Urlaub planten. Nur gab es in diesem Sommer kaum Sonne und schon gar keine Hitze, dafür Regen wie aus Eimern und allenfalls herbstliche Temperaturen. An unserem kältesten Urlaubstag zeigte das Thermometer nie mehr als 12 Grad. Und das Mitte Juli!

In der entsprechenden Kleidung machten wir uns trotzdem täglich auf den Weg, anfangs zu Fuß, später als das Wetter etwas besser wurde, meistens auf dem Rad. In den tiefen Wald schienen bei dem miserablen Wetter nur selten Menschen zu kommen, so dass sich ausgehungerte Bremsen immer gleich in großen Mengen auf uns stürzten, was das Wandervergnügen etwas beeinträchtigte. Nach der ersten Woche waren wir aus gegebenem Anlass auch im Besitz eines kleinen Instruments, mit dem man Zecken unfallfrei aus der Haut drehen kann.

altes Tor in Saint-Jean-aux-Bois (c) Michael Kneffel

Unser Lieblingsziel in der näheren Umgebung war mitten im Wald das Dorf Saint-Jean-aux-Bois, dessen Kern eine ehemalige Benedektiner-Abtei bildet, um die herum sich viele schöne alte und sehr gepflegte Natursteinhäuser gruppieren. Große Hoffnungen hatten wir hier in das rustikale Restaurant „La Fontaine St. Jean“ und seine traditionelle regionale Küche gesetzt, das ich auf meiner Fahrradtour im Mai kennen gelernt und in guter Erinnerung behalten habe. Leider schloss es kurz nach unserer Ankunft für die Sommerferien. Wer es etwas feiner möchte, hat im Ort  auch noch die „Auberge a la Bonne Idee“ zur Auswahl.

Le Grand Marechal in Rethondes (c) Michael Kneffel

Besonders gefallen haben uns noch die Dörfer La Brèvière, Vieux-Moulin und außerhalb des Waldes Chelles, Saint-Etienne-Roilaye, Saint-Crèpin-aux-Bois und Rethondes an der Aisne.

Das Herz von Rethondes schlägt im „Le Grand Marechal“, wo man übernachten, essen, einkaufen, Fahrräder ausleihen und sich bei sehr freundlichen Menschen einfach nur wohl fühlen kann. Gehobene Küche bietet im selben Ort der Ein-Stern-Koch Alain Blot. Die Speisekarte war vielversprechend, die Preise überraschend zivil. In unserem Radfahrer-Outfit wären wir dort aber etwas fehl am Platz gewesen.

Von hier ist es auch nicht mehr weit bis zu dem berühmten Eisenbahnwaggon, in dem 1918 und 1940 die Waffenstillstandsabkommen zwischen Frankreich und Deutschland unterzeichnet wurden. Das kleine Museum, in dem der Waggon verwahrt wird, scheint leider in der zentralen Museumsverwaltung Frankreichs keine Fürsprecher zu haben.  (Fortsetzung folgt.)

das Museum zu den Waffenstillstandsabkommen (c) Michael Kneffel