Ma douce France

Trouville-sur-Mer im Juli 2016 © Michael Kneffel
Trouville-sur-Mer im Juli 2016 © Michael Kneffel

Erinnerungen von Regine Möllenbeck

Beinahe das ganze Jahr 2020 und nun offenbar auch mindestens die erste Hälfte des Jahres 2021 bestimmt Corona in hohem Maße unseren Alltag, vor allem bestimmt es unser Reisen und, was schlimmer ist, unser Nicht-Reisen. Je mehr und je länger das wirkliche Verreisen mir versagt bleibt, umso mehr gehe ich dazu über, in Gedanken auf Reisen zu gehen.

Ein erster Impuls dafür war die Fernsehübertragung der Tour de France im Sommer 2020. Anders als in den Vorjahren hatte ich viel Zeit zuzusehen. Sportlich interessiert mich die Tour überhaupt nicht, aber ich habe trotzdem ganz gerne zugeschaut bei dieser Frankreichrundreise aus der Hubschrauberperspektive. Viele Streckenabschnitte waren so interessant, dass ich das ständige Reden über Radfahrer gut überhören konnte.

La Tour de France © Michael Kneffel
Le Tour de France © Michael Kneffel

Die Tour de France im Sommer 2020 war ganz überwiegend im südlichen Teil Frankreichs unterwegs und damit in den Regionen, die ich zwar kenne, in denen ich aber schon ziemlich lange nicht mehr war. So manche Etappe hat deshalb bei mir Erinnerungen an längst vergangene Urlaube geweckt. Oft habe ich dann gedacht: es ist wirklich richtig schön da — um mich dann zu fragen: möchte ich noch einmal an all die Orte, die ich als schön in Erinnerung habe – vorausgesetzt man darf es wieder?

Inzwischen zieht es mich vor allem an die Atlantikküste, wegen ihres Lichtes, glaube ich, oder wegen der Farben oder wegen des Himmels oder wegen des Essens – oder weil dort einfach alles stimmt.

bei Ebbe …. kein Wasser so weit das Auge reicht (c) Michael Kneffel

Ich freue mich schon sehr darauf, hoffentlich bald wieder hinfahren zu können.

Vor allem der Norden Frankreichs und seine Küsten, die von Nord-Pas de Calais, die der Picardie und der Normandie liegen doch ganz nahe, nur einen Katzensprung entfernt, wie man so sagt. Es ist so schade, dass man zur Zeit  noch nicht einmal einen solchen Katzensprung tun kann.

Bis es so weit ist, ist es eine nette Beschäftigung in Gedanken zu reisen und sich an viele schöne Orte zu erinnern, auch an solche, an denen ich vor langer Zeit war. Zahlreiche Begegnungen kommen mir wieder in den Sinn, denn sie gehören zum Urlaub ebenso dazu wie Landschaften und das Wetter.

Und warum schreibe ich es auf?

Aus Freude – Freude daran, mir durch das Aufschreiben selbst einen Anlass zu schaffen, an Frankreich und an Urlaub zu denken, und sicherlich auch aus Freude daran, mich in tendenziell eher langweiligen Corona-Zeiten mit etwas Schönem zu beschäftigen. Ich schreibe also eher für mich und wer mag, kann es gerne lesen. Im Sinne einer Gebrauchsanweisung möchte ich aber betonen, dass es lediglich meine Erinnerungen sind; ihnen wohnt kein Aufforderungscharakter inne, womöglich hinzufahren. Es scheint sich die Haltung zu verbreiten, man müsse ganz unbedingt gewisse Dinge tun oder eben auch bestimmte Orte besuchen, weil alle anderen es auch tun. In unseren Urlauben und vor allem auch in den großen Städten wundern wir uns über diejenigen, die auf uns wirken, als seien sie eigentlich nur dort, weil ein Reiseführer sie denken läßt, dass sie ganz unbedingt hin müßten, wo sie nun tatsächlich auch sind. Sie stehen auf Plätzen und vor Aussichten, machen ein Photo, ein Selfie selbstredend, und auf uns wirkt es, als würden sie dabei vor allem in Gedanken einen Haken machen, im Sinne von „dagewesen-abgehakt“. Letztendlich scheint es ihnen recht egal zu sein, ob sie wirklich da waren, wo sie waren.

Diese Entwicklung befremdet mich, um es vorsichtig auszudrücken, und ganz bestimmt werde ich also von keinem Ort in Frankreich behaupten, man müsse dort hin. Man muss noch nicht einmal nach Frankreich, wer so drauf ist, ist nicht nur, meiner Ansicht nach, im falschen Film, sondern er wäre auch im falschen Land.

Michael ist sowieso dafür, dass wir gar nicht laut preisgeben, wo es uns bisher besonders gut gefallen hat – damit nicht so viele Menschen dort hin fahren. Nun ja, ganz ernst scheint er es doch nicht zu meinen, sonst dürfte er nicht so sehr von Les Sables-d’Olonne schwärmen.

Ein wenig sentimental gebe ich mich also meinen Erinnerungen hin und lasse vor meinem geistigen Auge noch einmal Revue passieren, was ich in inzwischen mehr als 50 Jahren von Frankreich so alles gesehen habe.

Wenn ich dabei, zumindest vage, der Chronologie folge, in der ich Frankreich kennengelernt habe, dann muss ich im Süden starten, werde mich anschließend in die Bretagne begeben, von dort in die Vendée und an die Küste Aquitaniens. Erst zum Schluss bringt mich diese Streckenführung dann an die Küsten im Norden, an die in Nord-Pas de Calais, die der Picardie und der Normandie. So oder zumindest so ungefähr entspricht es meiner sukzessiven Entdeckung des Landes, die sich lange hingezogen hat, aber immer wieder neue angenehme Überraschungen mit sich brachte.

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Mein Foto der Woche – Bonbonfarben am Hafen von Nizza

Im August kann Nizza schon anstrengend sein, voll, laut, grell, heiß. Aber dann entschädigen immer wieder die unfassbar vielen Ockertöne, in denen die Fassaden der Altstadthäuser gestrichen sind. Und da Nizza auch die Stadt der Süßigkeiten ist, darf es auch schon mal ins Bonbonfarbene gehen, wie hier am Hafen.

Bonbonfarben am Hafen von Nizza © Michael Kneffel

Bonbonfarben am Hafen von Nizza © Michael Kneffel

Wanderung mit Boris Sieverts auf dem GR 2013 in Marseille und Umgebung

Hafenumbau in Marseille 2002 © Michael Kneffel

Hafenumbau in Marseille 2002 © Michael Kneffel

Nach jahrelangem Umbau stellt die aktuelle europäische Kulturhauptstadt Marseille Provence 2013 ihre neuen Schokoladenseiten heraus: das über dem Alten Hafen gelegene und massiv umgebaute Altstadtquartier Panier, das neue Museum der Mittelmeerzivilisationen MUCEM, das neue Geschäftsviertel Euromediterranée…“Nicht kleckern, sondern klotzen“, lautete in den vergangenen Jahren die Devise der offiziellen Planer. 60 Kultureinrichtungen wurden für insgesamt 660 Millionen Euro um- oder neu gebaut, in Marseille selbst und in rund 80 weiteren Städten und Dörfern der Provence. Das Kulturprogramm für 2013 kostet 98 Millionen und umfasst mehr als 400 Veranstaltungen.

Wenn Boris Sieverts vom Kölner Büro für Städtereisen für den September eine dreitägige Wanderung in Marseille und Umgebung anbietet, darf man sicher sein, dass die Schokoladenseiten der Region und offizielle Programmhöhepunkte keine Rolle spielen werden. In seiner Ankündigung schreibt er:

„Marseille, die „Stadt der 118 Dörfer“ kennzeichnet ein völlig unvermitteltes Nebeneinander von alten Gassen und Großsiedlungen, Boulevard und Brache, Armut, kleinbürgerlicher Idylle und mediterranem Luxus. Ihre starken Kontraste sowie die Lage der Stadt  zwischen der See und einer Felsenarena, von der aus sich fantastische Blicke ergeben, haben in Marseille eine in Europa einmalig lebendige Szene von Stadtwanderern enstehen lassen. Im Rahmen der Kulturhauptstadt Marseille Provence 2013 haben sie den weltweit ersten urbanen Fernwanderweg geschaffen, den GR2013. Auf 360 km Länge verbindet er die Städte des Großraums Marseille zu einer liegenden 8, an deren Schnittpunkt der TGV-Bahnhof Aix Provence liegt. Das Büro für Städtereisen hat das Glück und die Ehre, im Auftrag von MP2013 eine dreitägige Wanderung auf dem GR2013 anbieten zu können. Die Reise folgt dabei nicht genau dem Verlauf des GR2013, der, als offiziell ausgewiesener Wanderweg, zahlreichen Einschränkungen unterliegt, sondern nimmt die Idee einer großräumigen Stadterkundung auf eigene Weise auf, optimiert, variiert und umspielt sie.“

Im Abwasserkanal an der A 40 © Michael Kneffel

Im Abwasserkanal an der A 40 © Michael Kneffel

Was es bedeutet, wenn Sieverts die Idee einer Stadterkundung „auf eigene Weise“ aufnimmt, optimiert, variiert und umspielt, durfte ich im Jahr 2001 im Ruhrgebiet erleben. Zusammen mit anderen Teilnehmern/-innen der Herbstakademie „Stadtraum B1“ nahm ich an seiner Exkursion entlang der Autobahn A 40 teil. Zwischen Dortmund und Bochum führte uns Sieverts durch einen völlig unbekannten und faszinierenden Stadtraum – über Brachen, durch verwilderte Schrebergärten, über Autobahntankstellen, durch Abwasserrohre, über Mauern und hinter Lärmschutzwände. Mir und den anderen Teilnehmern/-innen wird diese Wanderung immer in Erinnerung bleiben.

Mauerklettern mit Boris Sieverts © Michael Kneffel

Mauerklettern mit Boris Sieverts © Michael Kneffel

Es hat mich nicht im Geringsten überrascht, dass Manuel Andrack, Deutschlands oberster Wanderer, der nur einen Tag lang dem GR 2013 bei Marseille folgte und darüber in DER ZEIT vom 13. Juli berichtete, diese Wanderung als aufregendste seines Lebens bezeichnete.

Mehr als schade, dass ich im September nicht mitwandern kann.

Start: Donnerstag, 12. September, 10.30h, Aix-en-Provence – Gare TGV
Ende: Samstag, 14. September, gegen 20h im Stadtzentrum von Marseille
Mitbringen: Schlafsack, Wanderschuhe, Badesachen, Taschenlampe
Kosten: 200,- Euro alles Inklusive, außer der Anreise

Reservierungen:
Boris Sieverts
Büro für Städtereisen
Schleiermacherstraße 8
51063 Köln
borissieverts@gmx.de
tel. 01714160572